Freitag, 2. April 2010

Abschied nehmen – ein Nachtrag

Auch in die »Lounge« am Frankfurter Bahnhof komme ich dank der neuen Tätigkeitsbeschreibung in Zukunft nur noch in Ausnahmefällen. Eigentlich fast schade, denn gelegentlich wars da



nämlich trotzdem nahezu gemütlich. Allein das Zeitungslesen dort, bei Umsonstkaffee (Tee wär mir zwar lieber, aber diese Automaten kriegen eben kein ernstlich kochendes Wasser für auf die Beutel zu plöttern hin! Nichts gegen Beutel, aber kochend muss das Wasser dann schónn sein) und Ausblick auf das Gewusel an den Gleisen ... Nebenbei: All diese reisenden Menschen da, haben die denn kein Zuhause?! Und wenn doch, warum bleiben die da nicht einfach?! (Ganz einfach: Sie haben Lidl-Tickets, die bis zum 31.03. abgefahren sein müssen!) Die Welt könnte doch um so viel schöner sein, die Sitzplätze in den Zügen außerdem wesentlich gerechter verteilt, wenn mindestens die Hälfte dieser Leute sich einfach den Zauber der Heimat mal touristisch erschlössen ...

Aber ich war ja bei Zeitung: Die nötigen tagesaktuellen Leitmedien aus dem Printbereich stehen in der Lounge zur Verfügung, unter geflissentlicher Auslassung zwar der BILD (warum eigentlich?) und der TAZ (warum eigentlich?) und der WELT (gut, die vermisst nu wirklich keiner), aber wirklich alles kann man sicherlich auch nicht erwarten. Und alles lesen gar eh nicht. Aber sonst? Doch, da gibts nix zu meckern: FAZ, FR, SZ, FTD, die solide upper-upper-middle-upper-middle-middle class dürfte sich zielgruppenmäßig gut versorgt fühlen. (So gesehen: Ist die WELT also doch dabei, aber immer alle Exemplare grad in Gebrauch, wenn ich komme? Könnte gut sein, aber ich will hier auch niemandem was unterstellen.)

Und nu gilt ja nach dem Werbespruch des Bahnhofsbuchhandlungskonzerns Schmidt&Hahn:



Was so ganz falsch auf den ersten Blick nicht ist, denn z.B. aus der »Süddeutschen« hat, bis ich komme (kam), oft genug irgendwer das Fö-... Feuje-... Feuillliele- ... also den Kulturteil geklaut. Aller Voraussicht nach ja wohl, um ihn auf der Weiterreise dann in Ruhe zu lesen. Und das heißt wahrscheinlich a bisserl was.

Falsch ist dieser Werbespruch dann aber andererseits natürlich doch, denn wahrlich, ich sage euch: Wer wirklich klug ist, bleibt natürlich tunlichst zum Lesen hübsch gemütlich zu Hause auf dem Sofa oder im Bett! Oder liest vielleicht noch am Schreibtisch. Aber keinesfalls steigt, wer klug ist, eigens in einen Zug, um dort in Ruhe zum Lesen zu kommen!

Klar, wenn man erstmal in den Zug reingezwungen ist, kommt man (kam ich) gut schon mal auf ein Buch pro Tag. Aber stehts in Sachen Bildung wirklich dafür?

Dagegen stehen nämlich alle diese Leute, die extra mit der Bahn fahren, um mit ihren Angeberhandys (sind Handys ohnehin schon eine Seuche: iPhones sind erst recht die Pest! Mit denen muss man nämlich zu allem andern auch noch in der Gegend rumwedeln, damit auch wirklich jeder mitkriegt, dass man sowas hat, das ist offenbar Telekom-vertraglich so festgelegt) telefonieren oder das Andereleutenervpotential der Ohrknöpfe ihrer MP3-Player ausprobieren zu können.

Insbesondere letzterer Aspekt scheint diesen Leuten ausgesprochen wichtig, grad gestern hat mich -- ich war ziemlich vertieft in »The Life and Opinions of Tristram Shandy«, dieses altertümliche Englisch ist echt nicht einfach, wenn man sich erstmal eingermaßen eingelesen hat aber hoch lustig! -- so einer aus heiterm Himmel im Vorbeigehen und mir gegens Knie tretend angepöbelt, Knopf im Ohr, was ich denn über ihn zu lachen hätte, ich solle mich mal besser im Spiegel anschaun, um zu erkunden, wie bescheuert ich aussehe, und mir ansonsten an ihm ein Beispiel nehmen, er würde wenigstens nicht so stinken wie die Frau da vor ihm, die ebenfalls in KS-Wilhelmshöhe zum Ausgang strebe. (Vokabular behutsam verändert.) Sprachs und ging -- buffta-buffta-buffta-buffta klangs ihm nach -- weiter pöbelnd weiter Richtung »Ausstieg in Fahrtrichtung rechts«.

Wird mir also ab demnächst was fehlen?

Naja, mal schaun.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen