Montag, 27. April 2009

Mamma, look, a boo-boo!

Schräg gegenüber im InterCity hat sich ein Typ so richtig breit und es sich gemütlich gemacht. Sitzt allein in einer Vierersitzgruppe mit Tisch, alle vier Sitze hat er mit Kram belegt (so siehts jedenfalls aus meiner Perspektive aus), der Tisch hochwichtig und breitflächig mit aufgeklapptem Laptop gefüllt, an dem er aber nichts tut. Elegant-schwarze Hose, das Jackett ordentlich aufgehängt, weißes Hemd, dezent blaue Krawatte, Gel in den Haaren, penibel rasiert – sieht man gleich, das muss ein Anlageberater sein!

Ich denk noch so: Na, der traut sich was, heutzutage, seinen Beruf so demonstrativ und leicht erkennbar zur Schau zu stellen.

Haste gedacht! Er geht ans Handy: „Ah, du bists, ja sag mal, ich hab hier grade deine Leberwerte gekriegt und muss dir ja leider sagen, dass die wieder schlechter geworden sind. Merkst du noch... ich mein, merkst du davon was?“ Und so weiter. Nix Banker also, ein Arzt ist er.

Doch nein, ich bin mir da immer noch nicht so recht sicher. Der erste Eindruck ist ja meist der richtige. Zumal doch wohl kein Arzt so laut und so öffentlich mit der Krankengeschichte eines Patienten um sich schmeißen würde. (Will ich jedenfalls hoffen! Zumindest bei meinem!) Das war mit Sicherheit eben doch so ein Bankhansel, die haben sich aber angesichts der aktuellen Lage nur einen neuen Code ausgedacht, mit dem sie ihren wichtigsten Heuschreckenkunden die Kontostände mitteilen: „Leberwerte“ = Wert des Depots (oder wie das heißt), „schlechter geworden“ = naja, halt: schlechter geworden, „merkst du was?“ = konntest du heute noch Geld von deinem Konto abholen oder hat mans dir schon gesperrt...?

Wir kennen die ja langsam, diese Brüder! Denen traut man mittlerweile doch alles zu! Dabei hat „Leber“ wahrscheinlich sogar eine Doppelbedeutung, einmal Kontostand und andererseits wirklich Leber. Dann sind die sog. Leberwerte in dem Jargon zusätzlich noch die, die der Kunde sich aus Kummer über die Lage mittlerweile zusammengesoffen hat und deren Höhe sich umgekehrt proportional zum Kontostand verhält.

Mal weitergedacht: Womöglich arbeitet der Typ auch noch für die Bahn und bereitet insgeheim trotz allem Mehdorngewese der letzten Monate immer noch den Börsengang vor?! War ja zum Beispiel am Wochenende im Extra Tip: Der Göttinger Bahnhof erhält aus irgendeinem von diesen modernen Konjunkturprogrammen 600.000 Euro für eine neue Anzeigetafel in der Eingangshalle und paar kleine auf den Bahnsteigen (die dann wahrscheinlich zusammen das Doppelte kosten werden, weil die Planer sich irgendwo verrechnet haben - außerdem muss man sich das auch erstmal richtig zu Gemüte führen: Da hängen also locker mal rund drei Einfamilienhäuser mit Grundstück über einem an der Wand). Werden die auch bitter nötig haben, die Bahn hat ja im abgelaufenen Jahr 2008 einen Gewinn von lediglich 2,5 Milliarden (vor Steuern) gemacht, da ist für eine Anzeigetafel und sonstige Investitionen natürlich nix mehr bei über. So üben die sicher schon mal, das selbst erwirtschaftete Geld woanders hinzutun: Kriegen nachher ja sowieso alles die Aktionäre, und auf die Weise kriegen die Grubenmanager schon mal ein Gefühl dafür, wie das funktionieren könnte.


Wo ich grad sowieso bei Instinktlosigkeiten bin: Gestern war in Göttingen wieder großes Fahrradrennen, und zwar unter dem Titel „Tour d’Energie“. Hauptsponsor offenbar die Stromfritzen von e.on. Am Jahrestag von Tschernobyl.

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